In diesem Positionspapier möchten wir auf die besondere ökonomische Situation der Frauen im Kapitalismus eingehen.

Wie bereits erwähnt, ist das Geschlechterverhältnis in unserer Gesellschaft von patriarchaler Unterdrückung bestimmt. Dieses prägt unsere Gedanken und unser Handeln von klein auf. Das älteste Unterdrückungsverhältnis der Welt hat aber auch eine wirtschaftliche Grundlage. Denn der Kapitalismus, das aktuelle Wirtschafts- und Herrschaftssystem, hat sich das Patriarchat zu Nutze gemacht und reproduziert es permanent. Eben darum liegt die Aufrechterhaltung des Patriarchats im Interesse der Kapitalist:innen und ist für sie unverzichtbar – auch wenn Frauen aller Gesellschaftsschichten die Auswirkungen des Patriarchats spüren. Wenn wir einen konsequenten Kampf gegen unsere Unterdrückung führen wollen, müssen wir diesen Zusammenhang erkennen und analysieren. 

… das Problem mit der Ware und der Care-Arbeit…

Doch wie nutzt die Unterdrückung der Frau dem Kapitalismus? Und in welcher Weise unterstützen wir ihn, bewusst oder unbewusst? Wer letztendlich von der unbezahlt verrichteten Care-Arbeit profitiert, lässt sich anhand von ein paar Grundlagen der kapitalistischen Ökonomie und mithilfe des Begriffs der Ware erklären.

Waren sind (nicht zwingend materielle) Produkte, die für den Austausch hergestellt werden und menschliche Bedürfnisse befriedigen. 

Im Kapitalismus wird auch die menschliche Arbeitskraft zur Ware. Die Arbeiter:innen müssen sie verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch der Wert der Ware Arbeitskraft entsteht aus der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit für ihre Produktion. Gemeint ist damit der Wert aller Waren, die die Arbeiter:innen brauchen, um am nächsten Tag wieder arbeiten zu können. Diesen bekommen die Arbeiter:innen in Form von Geld, also ihrem Lohn ausgezahlt. 

Darunter fallen zum Beispiel Miete, Lebensmittel und Kleidung. 

Die meisten Frauen gehen aber nach Feierabend von der Lohnarbeit zur sogenannten „Care-Arbeit“ über. „Care“ ist hier dem englischen „sich kümmern“ entnommen, was die Thematik schon gut umreißt.  Auf Deutsch könne wir den Begriff Sorge-Arbeit verwenden. Darunter fallen beispielsweise alle Aufgaben des Haushalts, der emotionalen Arbeit und der Kindererziehung. Auch das ist Arbeit, die für die Reproduktion der Arbeitskraft unverzichtbar ist. Allerdings wird diese Art der Arbeit nicht für den Austausch verrichtet, ist somit keine Ware und erhöht den Wert der Arbeitskraft nicht. 

Laut der „Internationalen Arbeitsorganisation“ arbeiten Frauen täglich bis zu 4,5 Stunden unentgeltlich, das ist ein halber Arbeitstag. Der Kapitalismus profitiert also davon, dass Frauen die Sorge-Arbeit unentgeltlich verrichten. Denn würden alle Bedürfnisse zur Reproduktion durch Waren befriedigt werden, würde das den Wert der Arbeitskraft und somit den Lohn der Arbeiter:innen anheben. Das wäre der Fall, wenn die Arbeiterin zum Beispiel, statt zu kochen, immer essen geht oder statt zu waschen, eine Reinigungsfirma bezahlt.

… Gender Pay Gap, Rente und „Frauenberufe“…

Die doppelte Unterdrückung der Frau durch Patriarchat und Kapitalismus zeigt sich auch an der finanziellen Lage der Arbeiterinnen in Deutschland. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt 22% und entsteht durch mehrere Faktoren:  

1. „Frauenberufe“, bei denen der Frauenanteil 70% oder mehr beträgt, sind meist schlecht bezahlte Berufe im Niedriglohnsektor, wie zum Beispiel die Pflege oder die Kinderbetreuung.

Die überproportionale Frauenquote dieser Bereiche ist im patriarchalen Rollenbild begründet. Frauen wären prädestiniert für dienende, zuarbeitende und untergeordnete Berufsbilder. Diese Argumentation funktioniert besonders gut, weil Frauen oft von klein an genau solche Eigenschaften wie beispielsweise Fürsorglichkeit und Aufopferungsgabe zugeschrieben und aufgedrängt werden.

2. Zwar wächst der Anteil der Frauenerwerbsquote in Deutschland, aber die Hälfte davon arbeitet in einem Teilzeitjob und hat damit wenig Chancen auf finanzielle Unabhängigkeit. Im Vergleich arbeiten 91% der männlichen Kollegen in einer Vollzeitstelle. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Kindererziehung, die hauptsächlich von Frauen übernommen wird, mit Vollzeitarbeit kaum zu vereinbaren ist. 

Teilzeitarbeiter:innen können seltener an Weiterbildungen teilnehmen und haben dadurch schlechtere Chancen auf beruflichen Aufstieg oder Gehaltserhöhungen. Viele Teilzeitarbeiter:innen werden nur in befristeten Verträgen angestellt und ihnen werden Rechte wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abgesprochen. Dabei ist die bürgerliche Forderung nach Frauen in Aufsichtsräten keine ausreichende Lösung – der finanzielle Erfolg einzelner bedeutet keineswegs die ökonomische Befreiung aller Frauen.

3. Das Patriarchat führt dazu, dass Frauen tendenziell eher bereit sind, die eigenen Berufswünsche und Bedürfnisse zurückzustellen und in der Folge weniger verdienen.

Frauen, die über 65 Jahre alt sind, erhalten im bundesweiten Durchschnitt 53% weniger Rente als Männer gleichen Alters. Im Jahr 2016 waren bereits 7,3 Millionen Frauen von Altersarmut bedroht, was 17,8% entspricht- Tendenz steigend.

Die sogenannte „Standardrente“ beruht auf fiktiven Berechnungen und wird nach 45 Jahren Vollzeitarbeit zum Durchschnittslohn ausgezahlt. Diese Rente kann allerdings kaum jemand beziehen, da jedes Jahr, in dem das Einkommen darunter liegt, die Höhe der Altersabsicherung verringert. Teilzeitarbeit, Schwangerschaften, Erziehungszeiten, die Doppelbelastung durch die Sorge-Arbeit und die schlechten Arbeitsbedingungen in einigen „Frauenberufen“ zwingen Frauen häufiger, die Arbeit zu unterbrechen und senken somit ihre Chancen auf eine ausreichende Rente. 

Der Aufbau des Rentensystems und die kapitalistischen Mechanismen greifen also das Patriarchat auf und führen dazu, dass wir schlechter bezahlt werden, uns in Abhängigkeiten begeben müssen und im Alter von Armut bedroht sind. Unsere Lebensumstände verschlechtern sich dadurch erheblich und wir bleiben häufig in ökonomischer Abhängigkeit, die wiederum patriarchales Gedankengut zementiert und reproduziert. Diese Wechselwirkung erschwert unseren Kampf gegen das Patriarchat und es ist klar, dass unser Kampf gegen patriarchale Unterdrückung antikapitalistisch sein muss.